Freie Meinungsäußerung

Freie Meinungsäußerung und Unternehmenspersönlichkeitsrecht

Berichterstattung und Werbung in den Medien sind oft Anlass für Konflikte, mit denen sich das Medien- und Presserecht befasst. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, Freiheit der Medien, Kunst und Wissenschaft (Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK) muss abgewogen werden mit dem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) der betroffenen Personen oder Unternehmen. Im folgenden geht es um das Unternehmenspersönlichkeitsrecht oder Unternehmerpersönlichkeitsrecht.

Unternehmen werden bei der Vermarktung ihrer Produkte von Konkurrenten und einer kritischen Öffentlichkeit beobachtet. Deren Äußerungen überschreiten des öfteren Grenzen, die das Unternehmen nicht hinnehmen will. Mittels Internet verbreitet sich die Rufbeeinträchtigung rasant schnell und ist beständig abrufbar. Der Produktabsatz oder sogar die Existenz des Unternehmens sind in Gefahr. Es werden daher auch rechtliche Schritte in Erwägung gezogen. Wie ist dabei vorzugehen? Im folgenden dazu eine kleine Erläuterung, wie mit welchen Gesetzen argumentiert werden könnte und welche verfahrensrechtlichen Möglichkeiten es für die betroffenen Unternehmen gibt.

Auszugehen ist bei der Bestimmung, wann Äußerungen Schranken des Wettbewerbsrechts oder Persönlichkeitsrechts überschreiten, vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Benetton Urteil vom 12.12.2000, Az.: 1 BvR 1762/95 und 1787/95 nochmals betont. Mit diesem Urteil hob das BVerfG Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 1995 – I ZR 180/94 und I ZR 110/93 – auf, in denen es dem Magazin Stern untersagt wurde, Anzeigen des Modeunternehmens Benetton zu veröffentlichen.

Gemäß Art. 5 Abs 2 GG findet das Recht auf freie Meinungsäußerung jedoch Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Zu diesen allgemeinen Gesetzen gehören das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das BGB.

Das UWG kann allerdings nur dann Anwendung finden, wenn es sich um einen konkreten oder abstrakten Mitbewerber oder einen klagebefugten Verband handelt.
Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann.
Bei einem abstrakten Mitbewerber geht es um die Ausübung der im allgemeinen Interesse gewährten Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 UWG. Diese Vorschrift sollte auf solche Fälle beschränkt werden, in denen die Auswirkungen des Wettbewerbsverstoßes auf das Wettbewerbsgeschehen so erheblich sind, daß seine Verfolgung auch wirklich im Interesse der Allgemeinheit liegt. Dementsprechend kann es für die Bejahung einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht genügen, daß dem Wettbewerbsverstoß die Verletzung eines gesetzlichen Ge- oder Verbots zugrunde liegt oder der Verstoß geeignet ist, irgendeinen geringfügigen Wettbewerbsvorsprung zu begründen.

So hat es der BGH in seinem Urteil vom 05.10.2000, 1 ZR 210/98, formuliert.

Sollte das UWG demnach keine Anwendung finden, bleibt noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die in Rede stehende Äußerung ist daher mit dem Recht des betroffenen Unternehmens, in seinem Unternehmenspersönlichkeitsrecht nicht eingeschränkt zu werden abzuwägen.

Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht leitet sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab. Es findet somit seine gesetzliche Rechtfertigung im § 823 Abs. 1 BGB, ein möglicher Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs 1 GG. Da davon ausgegangen wird, dass Unternehmen keine Würde und auch keinen Intimsbereich haben – von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen abgesehen, die aber anderer Art und Natur sind und daher anders geschützt werden – hat das Unternehmenspersönlichkeitsrecht bei der Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung eine schwächere Position als das Persönlichkeitsrecht.

Worauf es bei dieser Abwägung ankommt, hat der BGH in seinem Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 36/07 – „Fraport-Korruptionsvorwurf“ zusammengefasst.

In einer komplexen Äußerung dürfen nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG kann sich dabei auch auf die Äußerung von Tatsachen erstrecken, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden.

Um die Erfolgsaussichten einer Unterlassungsklage einzuschätzen, sind also sowohl die betreffenden Äußerungen als auch der gesamte Text zu analysieren. Hat man sich entschlossen, juristische Schritte einzuleiten, gibt es verschiedene verfahrensrechtliche Möglichkeiten, die auf der Seite „einstweilige Verfügung und andere Maßnahmen“ beschrieben sind.